28. November 2022
Wird der steuerliche Gewinn mittels Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, wie insbesondere bei kleineren Gewerbetreibenden oder Freiberuflern, so erfolgt die Erfassung von Einnahmen und Ausgaben grds. bei Zufluss bzw. bei Abfluss. Zur Vermeidung von Zufallsergebnissen gibt es insoweit aber eine Sonderregelung: Regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen, die kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres (Kj.), zu dem sie wirtschaftlich gehören, zugeflossen sind, werden nicht im Jahr des Zuflusses, sondern in dem Jahr erfasst, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Als „kurze Zeit“ ist ein Zeitraum von bis zu zehn Tagen anzusehen. Entsprechendes gilt für Ausgaben. Wird also bspw. die Miete für die Geschäftsräume für den Monat Januar 2023, die bis zum dritten Werktag im Januar 2023 zu zahlen ist, bereits am 30.12.2022 überwiesen, so wird diese Ausgabe nach der Sonderregelung steuerlich dem Jahr 2023 zugeordnet.
Die FinVerw und auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum geht davon aus, dass diese Sonderregelung einschränkend nur für solche Einnahmen bzw. Ausgaben gilt, die kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind. Dieses Merkmal der Fälligkeit ist im Gesetz allerdings nicht genannt, daher war dies umstritten. Nun hat der BFH diese Frage geklärt. Im Urteilsfall leistete ein Gewerbetreibender, der den Gewinn mittels Einnahmenüberschussrechnung ermittelte, die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume Mai bis Juli 2017 erst am 9.1.2018, machte sie aber als Betriebsausgaben für das Streitjahr 2017 geltend.
Der BFH widersprach dieser Vorgehensweise nun mit Entscheidung vom 16.2.2022 (Az. X R 2/21). Das Gericht stellt klar, dass die Sonderregelung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG zum zeitlichen Ansatz regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben voraussetzt, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kj. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind. Zwar handelt es sich bei Umsatzsteuervorauszahlungen nach inzwischen ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf deren gesetzlich festgelegte Wiederholung um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Allerdings ist zu fordern, dass die in Rede stehende Ausgabe innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums vor Beginn bzw. nach Beendigung des Kj. der wirtschaftlichen Zugehörigkeit auch fällig geworden ist. Begründet hat der BFH dies damit, dass die in ihrem Anwendungsbereich eng zu begrenzende Vorschrift Zufallsergebnisse vermeiden wolle, die allerdings einträten, wenn jede zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt des Kj. fällige Ausgabe (bzw. Einnahme) auch dann noch diesem Kj. zugerechnet werde, wenn sie erst kurz nach Beginn des folgenden Kalenderjahres erbracht werde. Ein Verzicht auf die Fälligkeit würde auf eine Übertragung der für die Bilanzaufstellung geltenden Grundsätze auf die Einnahmenüberschussrechnung hinauslaufen und damit dessen Sinn und Zweck erheblich überschreiten.
Handlungsempfehlung: Die zeitlich richtige Zuordnung von Einnahmen bzw. Ausgaben kann verfahrensrechtlich insoweit von Bedeutung sein, wenn sich herausstellt, dass Ausgaben im „falschen“ Jahr geltend gemacht werden und ein Ansatz im anderen „richtigen“ Jahr nur dann möglich ist, wenn dieses verfahrensrechtlich noch änderbar ist. Insoweit sollte die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben um den Jahreswechsel herum sehr sorgfältig vorgenommen werden.