Über infolge der Corona-Pandemie besonders wechselhafte Börsenkurse und Vorteile bei der persönlichen Vermögensnachfolge.

18. August 2020

Im letzten Jahr hatten wir im Rahmen unserer Mandanten-Informationsschreiben HSMV-News unter dem Titel „Die vermögensverwaltende Familiengesellschaft in der privatenVermögensnachfolge“ eine Vorgehensweise in den Blick der Aufmerksamkeit gerückt, die nach wie vor – und vielleicht besonders in unruhigen wirtschaftlichen Fahrwassern – sehr attraktiv und daher erwägenswert ist. Den Beitrag finden Sie unter diesem Link: HSMV-CENSUS-4-2019

Aber was hat dieses Instrument der vorweggenommenen Erbfolge mit dem aktuell schwierigen Umfeld der Corona-Pandemie zu tun? Stellen Sie sich folgenden Hintergrund vor:

Ein gereifterer Familienvater verfügt über ein größeres Vermögen, das er auf verschiedene Anlageklassen verteilt hat – Immobilien, vielleicht etwas Kunst, ein paar Sammlerstücke, Edelmetalle und ein umfangreiches Wertpapierdepot, in dem sich Aktien, Fondsanteile und sonstige Finanzanlagen befinden. Denkt man vor allem an die Aktien und Fonds, die das Schwergewicht bilden, so hatte der Familienvater gerade im März und April bei Anblick der Depotauszüge oder der elektronischen Bestandsauswertungen wenig Freude und durchaus Grund zur Sorge. Mittlerweile hat er sich etwas entspannt zurückgelehnt, denn die Indizes und Kurse haben sich deutlich erholt – das Kapital weiß nicht wohin. Genauso wie der Kurssturz in den genannten Monaten bisweilen überzeichnet hat, so schlägt sich nun auch die Vorfreude auf eine hoffentlich baldige Entspannung der Lage im Ticker nieder – Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude.

Im Hinterkopf hat der betuchte Familienvater – er geht auf die 60 zu –, dass er nun doch einen gewissen Teil des Vermögens auf die Kinder übertragen könnte. Aber bisher hat er sich nicht recht durchringen können, obwohl er das Instrument einer vermögensverwaltenden Familiengesellschaft gut kennt und weiß, dass er bei einer schrittweisen Übertragung zur Nutzung insbesondere der Freibeträge nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz das Steuerrad der Obhut über das Gesamtvermögen noch – lange – nicht aus der Hand geben müsste.

Beim nächsten Termin mit seinem Steuerberater wird in diesen Tagen – wen wundert’s? – nicht nur über die anstehenden Deklarationen und üblichen Wehwehchen mit dem Finanzamt gesprochen, sondern umso mehr über die zu erwartende wirtschaftliche Entwicklung und die grundlegenden Veränderungen, die die verschiedenen Besorgnisse als Langzeitwirkung mit sich bringen werden. Beim gemeinsamen Blick in die Glaskugel berichtet der Steuerberater auch über seine derzeitigen Beobachtungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie – was da alles jetzt geregelt wurde und welche Folgen er vermutet. Er erläutert dabei, dass nach dem sog. Covid-Maßnahmengesetz aus dem März 2020 die Insolvenzantragspflicht unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 30. September 2020 ausgesetzt sei. Wenn der Termin nicht verlängert würde, so der Steuerberater, würde vermutlich eine Insolvenzwelle über das schöne Land rollen und man sähe erst das wahre Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens. Das hätte dann sicherlich wieder an den Börsen entsprechende Folgen, nämlich mit deutlichen Kurseinbrüchen. Der Dax [„Dachs“] sei bekannt ein sehr scheues Tier und würde sich schnell erschrecken.

Aber daraus könne man ja auch steuerlich Kapital schlagen. Der Familienvater horcht auf und fragt nach.

Ja, wenn Sie jetzt Ihr Vermögen, insbesondere das Aktiendepot, ganz oder teilweise auf eine Familien-GbR oder -KG übertragen und alles vorbereiten und eine der nächsten Kurseinbrüche abwarten, dann können Sie einen Teil Ihrer Aktien- und Fondsanlagen schenkungsteuerlich unter sehr günstigen Bedingungen auf die Kinder übertragen. Für die Bewertung des geschenkten Finanzanlagevermögens ist nämlich der niedrigste am Schenkungstag im regulierten Markt notierte Kurs anzusetzen (§ 11 BewG).

Der Steuerberater macht folgendes Beispiel:

  • Ursprünglicher Kaufpreis der Aktie X zu: 100
  • Mitte Oktober 2020 notiert die Aktie zu: 30
  • Unrealisierter Verlust im Depot des Vaters: 70

Jetzt kommt die Schenkung – zur rechten Zeit!

  • Schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage während der Phase des Kurssturzes (am Tage der Schenkung): 30

Nun ist die Aktie der steuerlichen Sphäre des Juniors oder der Juniorin zuzuordnen, die gespannt auf die schöneren Börsentage warten. Und die kommen.

  • Im Frühjahres des Jahres 2021 klettert die Aktie auf: 60

Warum nicht jetzt verkaufen? Aber was sagt die Steuer – in diesem Fall die Einkommensteuer? Der Steuerberater hat die Antwort parat und schlägt zielsicher § 20 EStG auf. Hier ist in § 20 Abs. 4 Satz 6 EStG vorgesehen, dass der Rechtsnachfolger bei einem unentgeltlichen Erwerb – also im Falle einer Vollschenkung – in die Anschaffungsfußstapfen des Rechtsvorgängers (hier des Vaters) tritt. Die wirtschaftlich erfreuten Junioren erleiden also einen einkommensteuerlichen Verlust für Zwecke der Abgeltungsteuer, der sich im Verlustverrechnungstopf niederschlägt und mit ihren weiteren Gewinnen aus Aktienveräußerungen verrechnet werden kann. Also:

  • Einkommensteuerlicher Verlust bei den Junioren: -40
  • Realisierter Mehrbetrag gegenüber dem Schenkungswert: 30

Mithin ließe sich auf steuerlichem Gebiete etwas Trost und Zufriedenheit finden, obwohl der hier für die Erläuterung gewählte Hintergrund nur als katastrophal zu bezeichnen ist. Das wird bei aller Ironie selbstverständlich nicht übersehen – und Geld ist bekanntlich nicht alles.

Das erläuterte steuerliche Grundprinzip kommt ebenfalls zur Anwendung, wenn die Vermögensübertragung auf die nachfolgende Generation mit Hilfe einer Familiengesellschaft in wohl dosierten Schritten vollzogen wird und die sonstigen Vorteile einer gesellschaftsrechtlichen Übertragungsstrategie nutzbar gemacht werden (mittels einer GbR oder KG). In volatilen Börsenzeiten kommen Gelegenheiten hinzu, eine Vermögensnachfolge günstig zu terminieren – d.h., mit niedrigen Besteuerungswerten zu übertragen.

Darüber hinaus mag es in Zeiten, in denen der Staat viel Geld braucht, ratsam sein, dieses familienintern auf mehrere Schultern zu verteilen.

Gerne stehen Ihnen für diese Thematik und weiterführende Informationen als Ansprechpartner zur Verfügung:

Christoph Bergedick LL.M.
Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater, Partner
Telefon 0211 / 87542205
christoph.bergedick@hsmv.de

Gerd Scholten
Diplom-Kaufmann, Steuerberater
Telefon 0211 / 87542244
gerd.scholten@hsmv.de